Es war in Deutschland bis vor ein paar Jahren noch schwer, einen guten Kaffee zu bekommen, …
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Tasse oder Kännchen?
Wenn man in Berlin an einem Wochentag am Vormittag eines der bekannten Cafés der Stadt betritt, kann man sich nur wundern. Arbeitet denn in dieser Stadt keiner? Das muss man sich angesichts der meist voll besetzten Tische fragen. Zur Ehrenrettung der Berliner sei gemutmaßt, dass die Besucher eben einfach im Café arbeiten. Sicher sind sie alle Journalisten, Schriftsteller oder Künstler, die sich von der Kaffeehausatmosphäre inspirieren lassen und kurz darauf nach Hause eilen, um ihr Werk zu vollenden. Berlin ist die Stadt der Kreativen und der Cafés, in denen sie aufeinandertreffen. Und mit etwas Glück ist die Tasse Kaffee oder Cappuccino hier auch noch etwas günstiger als im Rest der Republik.
Berlin oder München haben zwar nicht die Kaffeehauskultur von Wien, Prag oder anderen Städten, die von der Habsburgermonarchie jahrhundertelang geprägt wurden. Aber sie und andere deutsche Städte haben ihre Perlen. In München das Stadtcafé, das eher alternative Baader Café oder das traditionsreiche Tambosi und in Berlin das Einstein oder das Café im Literaturhaus.
Dabei war es in Deutschland bis vor ein paar Jahren noch schwer, überhaupt einen guten Kaffee zu bekommen. An jeder Autobahnraststätte in Italien schmeckte er besser, spotteten Kenner. Und dass ein Cappuccino nicht zwangsläufig mit steif geschlagener Schlagsahne serviert wird, sondern mit einem cremigen Milchschaum, gehörte auch zu den Lektionen der Entdeckung der “italienischen Momente” im Leben, die dank des unaufhaltbaren Siegeszugs der Espressomaschine zunehmend auch zu Hause erlebt werden. Mittlerweile haben viele Kaffeehäuser schon ihre eigenen Marken oder bieten spezielle Röstungen zum Verkauf an. Es eröffnen auch immer mehr Röstereien mit integrierten Coffeeshops, in denen allerdings mehr der Kaffeegenuss für absolute Kenner im Vordergrund steht als die Atmosphäre.
Im alten Kaffeehaus ging es weniger um den Kaffee, sondern um die Atmosphäre. Die “goldenen zwanziger Jahre” in Berlin sind ohne die Kaffeehauskultur nicht denkbar. Das Romanische Café gegenüber der heutigen Gedächtniskirche oder das Café Größenwahn waren Künstlerwohnstuben, Lebensräume der Bohemiens. Schriftsteller und Journalisten haben dort verkehrt, Künstler und Schauspielerinnen. Und wer wenig Geld hatte, konnte bei einer Tasse Kaffee (mit Rum) stundenlang kostenlos die Zeitungen lesen, kritische Leser als Genieverhinderer brandmarken und auch sonst wortreich über alle Unbilden der Literatenwelt klagen, die nicht selten finanzieller Natur waren. Diese Form der alten europäischen Kaffeehauskultur ist in Sedimenten noch erhalten, vielleicht bekommt man noch eine Ahnung davon im Greco in Rom oder im Procope in Paris. Auch Zeitungen gibt es hier immer noch zu lesen, aber natürlich sind jetzt Smartphones die Cafébegleiter Nummer eins.
In deutschen Großstädten