Tamaras Vater hat sich besonders darüber Sorgen gemacht, dass …
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Aus dem Klassenzimmer in den Haarsalon
Nicht alle Studenten finden auf der Universität das, was sie suchen. Viele entdecken ihre berufliche Zukunft im Handwerk, zum Beispiel im Friseursalon. Tamara Gundlach ist Auszubildende im ersten Lehrjahr und legt an diesem Morgen eine neue Kundenkartei an. Seit Juni hat sie die Lehrstelle, seit einem Jahr das Abitur und seit März keinen Studienplatz mehr.
Vor etwas mehr als einem Jahr musste sich Tamara Gundlach entscheiden: Wie soll es nach dem Abitur weitergehen? Oder vielmehr: Was soll sie studieren?
“Ich hatte damals den Gedanken: Ich habe Abitur, also muss ich auch an die Uni”, berichtet sie, während sie der Kundin eine weißliche Masse auf die Haare aufträgt. Gundlach wollte seit ihrer Kindheit Grundschullehrerin werden, doch ihr Notenschnitt war nicht gut genug, um sich um einen Studienplatz gerade im Grundschullehramt zu bewerben. Im Losverfahren bekam sie dann einen Studienplatz für das Lehramt an Gymnasien in Frankfurt, mit der Fächerkombination Politik, Wirtschaft, Philosophie.
Doch der anfängliche Plan, nach fünf Semestern dann doch ins Studium für Grundschullehramt zu wechseln, wurde schnell von dem Gefühl der Motivationslosigkeit abgelöst, wie sie heute sagt. Ihren Studienalltag inmitten Hunderter Studenten selbst zu organisieren hat sie überanstrengt: “Zu unpersönlich, zu unkreativ, zu theoretisch”, so fasst die 20 Jahre alte Studienabbrecherin ihre Schwierigkeiten mit der Uni zusammen.
Für junge Frauen und Männer mit genau solchen Erfahrungen hat die Handwerkskammer Frankfurt/Rhein-Main das Projekt Yourpush aufgelegt. Die Kammer will dabei helfen, Studenten, die sich umorientieren wollen, mit Betrieben in Kontakt zu bringen. Tamara Gundlach braucht diese Hilfe nicht mehr. Die Masse auf dem Kopf der Kundin muss einwirken. “Thommy, können Sie einmal schauen?”, fragt Gundlach ihren Ausbilder. Das mag sie besonders an ihrer Arbeit: Sie sieht sofort ein Ergebnis, bekommt eine Rückmeldung vom Chef und macht bei guter Arbeit einen Kunden froh. Ihr Ausbilder ist recht zufrieden mit ihrer ersten Blondierung. Er rät ihr nur, die Haare noch etwas auseinanderzuziehen, damit sich die Wärme nicht staut.
Es ist der 25.März 2015, als Tamara Gundlach beschließt, ihr Studium zu beenden. Ein Mittwoch. Sie hat gerade eine Freundin von deren letzter Abiturprüfung abgeholt, will mit ihr feiern. Da klingelt ihr Handy, eine E-Mail: Die Prüfungsergebnisse für Bildungswissenschaften sind gerade auf der Webseite der Universität veröffentlicht worden. Die Prüfung, die den Grundstein zum Lehrerberuf bildet. Das Fach, das sie spätestens beim zweiten Versuch bestehen muss, um in Hessen unterrichten zu dürfen. Durchgefallen!
Der erste Impuls sind Tränen, der zweite ist der Wunsch, nach Hause zu den Eltern zu fahren. Mit ihnen spricht sie die Optionen durch und entscheidet sich schließlich dafür, das Studium abzubrechen. “Mein Vater hat jeden Tag gemerkt, wie sehr mich das Studium belastet hat”, sagt Gundlach. Auf die Frage, wie es in der Uni gewesen war, bekam er von seiner Tochter grundsätzlich nur eine Antwort: “Scheiße. Wie immer.”
Heute braucht niemand sie nach ihrem Tag zu fragen. Sie erzählt von allein. Während die Kundin wartet, eilt Gundlach zum Lagerraum, holt frische Handtücher, fegt Haare zusammen, serviert mit einem zufriedenen Lächeln Cappuccino. Das Leben kann so unkompliziert sein, sobald das blöde “muss” wegfällt!